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Zirkuläres Bauen – abreissen, um zu erhalten.  

Altbauweise

Baumanager Beat Jaun steht vor sauber gestapelten Sanitärapparaten, Glasbausteinen, Sockelkanälen, Fenster- und Türgriffen. Material, das normalerweise einfach entsorgt wird, kommt hier nach dem Umbau wieder zum Einsatz. Nach dem «Re-Use» Prinzip wird alles, was in gutem Zustand ist und weiterhin genutzt werden kann, aufbereitet und wieder montiert. Was einfach scheint, gestaltet sich in der Realität anspruchsvoll. Unser Mitglied Beat Jaun, Geschäftsführer der Firma Jaun Baumanagement, teilt seine Erfahrungen mit dem zirkulären Bauen.

Was entsteht hier an der Ausstellungsstrasse 88 im Zürcher Kreis 5?

Im Auftrag des Hochbauamts des Kantons Zürich wird eines ihrer Bürogebäude mit Baujahr 1994 umgebaut. Die gebäudetechnischen Anlagen müssen weitgehend erneuert werden, damit die geltenden Normen und Vorschriften erfüllt werden können. Der Ausbau wird für das vorgesehene Bürokonzept erneuert und angepasst: Anfangs 2026 wird das Amt für Jugend und Berufsberatung (AJB) hier einziehen.

Der Kanton Zürich fördert bekanntlich ökologisch nachhaltiges Bauen. Der Projektleiter verfolgt konsequent den Ansatz der Kreislaufwirtschaft. Das Gebäude ist erst etwa 30 Jahre alt und wird weiterhin als Büro genutzt. Entsprechend sollen Materialien, die noch in einwandfreiem Zustand sind, wieder verwendet werden – hier oder bei einem anderen Bau.

Aussenansicht Ausstellungsstrasse 88

Wie wird diese Wiederverwendung koordiniert?

Einiges lässt sich nicht so einfach wieder einsetzen in der neuen Raumplanung. Deshalb wurden bereits vor Baubeginn diverse Teile wie Metalltreppen, Türen, Geländer, Garagentore oder Fahrradunterständer auf Plattformen wie salza.ch angeboten und oftmals auch verschenkt. Das gestaltete sich aber harziger als erwartet. Die Grössenverhältnisse müssen genau passen für den neuen Verwendungszweck. Auch der Aufwand für das Demontieren und Transportieren ist nicht zu unterschätzen.

Am Anfang sind alle begeistert von der Idee, das Material auszuschreiben – letztlich wird man aber kaum was los.

Es sind schon ein paar Teile abgeholt worden, aber man hat sich deutlich mehr erhofft. Zum Teil erfüllen die Elemente auch einfach die aktuellen Sicherheitsauflagen nicht mehr. Das habe ich beispielsweise bei Wendeltreppen und Fenstern erlebt. Die Gesetze werden laufend strenger formuliert.

Diese Wendeltreppe hätte in einem anderen Bau perfekt gepasst – die aktuellen Sicherheitsvorschriften erfüllt sie aber nicht mehr.
Diese Wendeltreppe hätte in einem anderen Bau perfekt gepasst – die aktuellen Sicherheitsvorschriften erfüllt sie aber nicht mehr.

Das Re-Use Prinzip wird oft durch die aktuellen Gesetzesvorgaben ausgebremst

Lohnt sich die Wiederverwendung finanziell?

Nur bedingt – je nach Zustand, Wertigkeit und Passgenauigkeit. Braucht es beispielsweise noch leichte Änderungen, sind diese oft kostspielig. Bei uns in der Schweiz ist vor allem die Arbeitszeit teuer. Entsprechend kostet auch der Aufwand für Demontage, Einlagerung und Aufbereitung viel Zeit und Geld.

Bei diesem Umbau haben wir zahlreiche Sanitärapparate demontiert und im Keller eingelagert: WC-Schüsseln, Pissoirs, Lavabos, Toilettenpapierhalter, usw. Vieles ist erst 10-jährig, kann also aufbereitet und wieder montiert werden. Die Kosten dafür liegen aber höher, als wenn wir neue anschaffen würden. Bei Materialien aus Chromstahl oder hochwertigen Fenster- und Türgriffen sind wir kostenneutral. Gewisse nachhaltige Elemente sind sogar günstiger, z.B. unsere Bauwände aus Holz gegenüber der herkömmlichen aus Kunststoff. 

Sicher ist: Wer wirklich alles wiederverwenden will, braucht viel Zeit und Geld. Das ist bei privaten Bauherren weniger gegeben als bei institutionellen.

Zahlreiche Sanitärapparate wurden demontiert und im Keller eingelagert.
Zahlreiche Sanitärapparate wurden demontiert und im Keller eingelagert.

Ist der hohe Aufwand auch auf mangelnde Erfahrungswerte zurückzuführen?

Genau, die Erfahrungswerte fehlen. Konsequente Re-Use Projekte wurden noch nicht so oft umgesetzt. In Zukunft müssten die Erfahrungen und Learnings aus diesen Projekten konsequent dokumentiert werden, damit das Know-how nicht verloren geht. Die Architekten und der Kanton übernehmen die Dokumentation für dieses Projekt. Idealerweise würde dies in eine Art «Leitfaden für zirkuläres Bauen» münden.
Der SIA, der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein, hat einen Re-Use Workshop hier im Haus organisiert. Es macht Sinn, an konkreten Beispielen die Möglichkeiten und Chancen des zirkulären Bauens zu testen und zu diskutieren. Re-Use ist bei Architekten mittlerweile ein Trend, der sich langsam zum Mindset entwickelt – man überlegt sich vermehrt, was man erhalten kann, bevor man einfach alles abreisst.

Re-Use hat sich bei Architekten vom Trend zum Mindset entwickelt.

Was ist bei der Planung solcher Projekte wichtig und sinnvoll, was hast du gelernt?

Die Planung muss in Etappen verlaufen. In unserer Rolle führen wir Materialbesichtigungen und Bestandesaufnahmen durch, holen Offerten ein, koordinieren Arbeiten und Termine und organisieren Einlagerung und Aufbereitung… Dabei muss man alles geschickt aneinander vorbeiplanen, damit die Puzzle-Teile am Ende wieder zueinander passen. 

Meine Erfahrung hat gezeigt, wie wichtig der Vorlauf ist: man muss frühzeitig überlegen, was man wiederverwenden kann und will, wo es sich lohnt und wie der Prozess der Einlagerung, der Weitervermittlung, der Aufbereitung, usw. optimal gestaltet werden kann. Hier haben wir den Luxus, genügend Platz zur Einlagerung vor Ort zu haben – das ist nicht immer so.

Nicht zuletzt sind Re-Use Projekte auch ideal, um Firmen mit einem sozialen Auftrag miteinzubeziehen.

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Stiftungen und Firmen werden engagiert, die Langzeitarbeitslose wiedereingliedern – eine weitere Form der Kreislaufwirtschaft.

Diese Mitarbeitenden haben einen tieferen Stundenansatz, was aus finanzieller Perspektive ebenfalls attraktiv ist. Für die Aufbereitung und Reinigung der Materialien sind solche Firmen ideal. 

Diese Glasbausteine bildeten ursprünglich eine Wand. Sie werden aufbereitet und wieder eingesetzt.
Diese Glasbausteine bildeten ursprünglich eine Wand. Sie werden aufbereitet und wieder eingesetzt.

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Objektbilder Jaun Baumanagement
Porträt Beat Jaun
und Text: Claudia Kaufmann

Unter den Doppelböden befinden sich die Leitungen. Das Öffnen und Schliessen erfolgt in Etappen.
Unter den Doppelböden befinden sich die Leitungen. Das Öffnen und Schliessen erfolgt in Etappen.
Die einzelnen Bodenplatten werden zwischengelagert.
Die einzelnen Bodenplatten werden zwischengelagert.
Wiederverwendbares Material zu trennen, gestaltet sich bei diesen Elementen als schwierig.
Wiederverwendbares Material zu trennen, gestaltet sich bei diesen Elementen als schwierig.
Auch Sockelleisten werden demontiert und aufbereitet.
Auch Sockelleisten werden demontiert und aufbereitet.
Aufgrund der Grösse des Gebäudes – es hat zum Beispiel 280 Fenster – lohnt es sich, viele Elemente wieder zu verwenden.
Aufgrund der Grösse des Gebäudes – es hat zum Beispiel 280 Fenster – lohnt es sich, viele Elemente wieder zu verwenden.
Demontierte Glasbausteine
Demontierte Glasbausteine
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